Operationsverstärker IV: Störprobleme
- Elektronik-Minikurse: Inhaltsverzeichnis WICHTIG: Diverse technische Infos
- Elektronik-Minikurse: Philosophie (Sinn, Vorwissen, Praxisbezug)
- Hilfe bei Leserfragen. (WICHTIG: Unbedingt zur Kenntnis nehmen!)
- Simulieren und Experimentieren, ein Vorwort von Jochen Zilg
- Autor: Thomas Schaerer Opamp-Buch Timer555-Buch
Einleitung
Dieser neue vierte Elektronik-Minikurs zum Thema Operationsverstärker (Opamp) befasst sich mit unterschiedlichen Störproblemen bei Opamp-Schaltungen. Es beginnt mit der störarmen Beschaltung. Es gilt der elementare Grundsatz, dass eine analoge signalverstärkende oder signalverarbeitende Schaltung so niederohmig wie möglich realisiert sein sollte. Dies reduziert das Risiko der parasitär-kapazitiven Einkopplung von elektrischen Wechselfeldern (AC-EFeld).
Störung durch parasitär-kapazitive Einkopplung (AC-EFeld)
Bild 1 dient der leichten Spielfreude. Vorausgesetzt man befindet sich
in einem Raum, wo es im Umfeld 230-VAC-Leitungen hat. Diese Leitungen
erzeugen ein relativ schwaches elektrisches Wechsel-Feld (AC-EFeld). Die
elektrische Kapazität Mensch/Umfeld beträgt etwa 100 pF. Zwischen den
Brumm- und Störspannungsquellen im räumlichen Umfeld und dem Menschen
ergibt sich eine kapazitive Kopplung. Damit ist der Mensch selbst eine
Brumm- und Störspannungsquelle. Wir bezeichnen diese Spannung mit Us
(s=stör). So kann man bei Annäherung mit z.B. dem Zeigefinger an eine
spannungsempfindliche Stelle der Schaltung, diese Spannung Us kapazitiv
weitergeben (einkoppeln). Die Kapazität zwischen dem Zeigefinger und dem
Schaltungsteil beträgt nur wenige pF. Die verstärkte AC-Spannung am
Ausgang der Opampschaltung kann mit einem Oszilloskopen gemessen werden.
Versuch mit Teilbild 1.1: Das R1/R2-Netzwerk muss für den Versuch
relativ hochohmig sein mit einer Verstärkung von etwa 500. R1 = 10 k-Ohm
und R2 = 4.7 M-Ohm. Kommt man mit dem Zeigefinger, oder besser mit einem
einem Metallstab in der Hand, in die Nähe des invertierenden Einganges,
steigt am Ausgang Ua die 50-Hz-Brummspannung, dessen Oberwellenanteile
und andere Störspannungen, dargestellt mit den überlagerten
Impulsspannungen.Die Grenzfrequenz am Ausgang Ua ergibt sich aus
der Unity-Gain-Bandbreite des OP (TL071 = 3 MHz) dividiert durch die
Verstärkung von 470 (R2/R1) von gerade noch 6.4 kHz. Dies erkennt man an
der "groben" überlagerten leicht höher frequenter Störspannung auf der
50-Hz-Sinuswelle. Entfernt man R1, hat man mit R2 alleine die volle
Gegenkopplung mit einer Verstärkung von 1. Dadurch ist Grenzfrequenz mit
3 MHz viel höher. Die Überlagerungsspannung sieht deshalb viel feiner
(hochfrequenter) aus. Das ist aber eher nebensächlich. Wichtig ist dabei
die Erkenntnis, dass unabhängig des grossen Unterschiedes der
Verstärkung, die 50-Hz-Sinusspannung an Ua, bei der gleichen Annäherung
des Metallstabes zum invertierenden Eingang, gleich gross bleibt. Diese
Einkopplung wird durch die R2/R1-Verstärkung nicht beeinflusst, weil sie
direkt in den invertierenden Eingang erfolgt. Anstelle des JFET TL071,
eignen sich ebenso TL081 oder LF356.
Teilbild 1.2 zeigt deutlicher weshalb dies so ist. Cx ist hier ein
Kondensator mit sehr geringer Kapazität. R1 ist mit GND verbunden. Es
kann aber ebenso gut eine Spannung anliegen, angedeutet mit (Ue). Es
ändert nichts daran, dass (Ue) und Us sich gegenseitig nicht
beeinflussen können, weil der sehr niederohmige virtuelle GND an dessen
Knotenpunkt liegt. Genau genommen stimmt dies aber nur dann, wenn die
Grenzfrequenz der Schaltung um ein Vielfaches höher ist als die
Frequenzbandbreite der Spannungsquelle Us und Ue, falls R1 nicht an GND
liegt. Dies ist der Grund, warum die Spannung Us nicht mehr verstärkt
wird, wenn R1 vorhanden ist. Aber die durch R2/R1 reduzierte
Grenzfrequenz der Schaltung wirkt nicht nur auf (Ue) sondern auch auf
Us.
Versuch mit Teilbild 1.3: R1, R2 und R3 sind Richtwerte aus meinem
durchgeführten Experiment. Der Eingangswiderstand R3 muss man der
R2/R1-Verstärkung so anpassen, dass der Opamp nicht ins Oszillieren
gerät. Dies kann geschehen durch die parasitär sehr niedrige Kapazität
zwischen dem Ausgang und dem nichtinvertierenden Eingang des Opamp. Dies
bewirkt eine Mitkopplung. Es kann sein, dass man je nach Vorbildung und
Erfahrung, alleine durch das Lesen dieses Kapitels mit Bild 1 nicht
alles versteht. Darum empfehle ich das spielerische Experimentieren.
Dann funktioniert's mit dem Begreifen.
Zur Sache: Die Versuche in Bild 1 zeigen, wie empfindlich
Verstärkerschaltungen sind auf die Einwirkung elektrischer Wechselfelder
bei noch so niedriger Koppelkapazität im pF-Bereich. Wir übertragen dies
auf benachbarte Leiterbahnen auf einer Leiterplatte (PCB). Das ist das
eigentlich zentrale Thema zu diesem Elektronik-Minikurs. Hier drin liegt
der Praxisbezug bei Entwurf von Leiterplatten.
Teilbild 2.1 wiederholt Teilbild 1.2. Hier wird noch einmal deutlich,
dass GND oder Ue mit R1 am invertierenden Eingang des Opamp (virtueller
GND) und die Störspannung Us mit Cx (Kapazität zwischen Zeigefinger und
virtuellem GND) unabhängig von einander die Spannung an Ua bestimmen.
GND mit R1 erzeugt an Ua ebenfalls den GND-Wert. Auf diese Weise sieht
man an Ua nur die verstärkte Spannung, welche Us durch die sehr niedrige
Kapazität Cx einkoppelt. Wobei - ganz wichtig! - an der Verstärkung von
Us nach Ua sind nur R2 und die Kapazitanz von Cx (kapazitiver Widerstand)
vektoriell bestimmend. Aber das ist ein ganz anderes Thema...
Teilbild 2.2 zeigt eine leider oft realistische Situation auf einer
Leiterplatte (PCB) die leicht zur Störung der Ausgangsspannung führt. Es
geht um parallel geführte Leiterbahnen. Ohne geht es meist nicht. Man
muss sich gut überlegen wo und wie lang parallel für welche Funktion der
Schaltung zulässig ist. Eine kochrezeptartige Empfehlung gibt es kaum.
Nehmen wir ein Beispiel, wenn auf der Leiterplatte analoge und digitale
Schaltungen nicht sauber getrennt werden (können). Us ist die
Störspannungsquelle mit einer Rechteckspannung. Die Frequenz ist
deutlich niedriger als der Reziprokwert der Zeitkonstante von Cx mit R2.
Bei deutlich niedriger Frequenz sieht man auf dem Oszilloskopen
nadelartige Impulse, wie die Skizze zeigt. In Wirklichkeit sind es
steile Flanken mit anschliessendem exponentiellen Spannungsabfall. Es
ist das typische Verhalten eines mit Rechteckspannung gesteuerten
RC-Differenziator
(Hochpassfilter). Die Lupe zeigt den relativ steilen Spannungsanstieg A
in Richtung negativer Spannung. Diese Steilheit ist bedingt durch die
Unity-Gain-Bandbreite des Opamp dividiert durch die Verstärkung, gegeben
durch R2/R1. Die exponentielle Kurve B entsteht durch die parasitäre
Kapazität Cx zwischen den beiden Leiterbahnen und dem Widerstand R2. Für
positive Nadelimpulse zeigt die Lupe das inverse Diagramm mit einem
steilen Spannungsanstieg A in Richtung positive Spannung und die
exponentielle Kurve zurück auf den GND-Pegel.
Bild 3 möge die eigene Experimentierfreude anregen. Es beginnt mit einer
Kopie von Teilbild 2.2 nach Teilbild 3.1 und von da geht es gleich
weiter zu Teilbild 3.2. Anstelle der parasitären Kapazität zwischen zwei
Leiterbahnen kommt im Experiment ein Keramikkondensator (Kerko) Cx mit
einer Kapazität von 10 pF zum Einsatz. Das ist zwar etwas viel, weil
eine
Stripboard-Platte
mit einer parallelen Leiterbahnlänge von 12 cm eine Kapazität von etwa 8
pF aufweist zwischen zwei benachbarten Leiterbahnen. Dazu kommt, dass im
Vergleich zu realen Schaltungen, derart lange Parallelleitungen eher die
seltene Ausnahmen sind. Also müsste man mit etwa 1 pF experimentieren.
Da zeigt sich jedoch das Problem mit der Einwirkung von parasitären
Kapazitäten aus der unmittelbaren Umgebung der Testschaltung. Wenn man
jedoch die die Resultate der Störspannung umrechnet von 10 pF auf 1 pF,
sind vor allem bei niedrigen analogen Signalspannungen, die
Störspannungen noch immer zu gross. Oder anders formuliert, der
Störabstand ist klein. Das würde bedeuten, dass eine Parallelführung von
nur schon 1 cm zwischen einem analogen und digitalen Signal, die
Störspannung zu gross ist. Daraus kann man schliessen, dass man
möglichst alles unternimmt, digitale und analoge Teile, so gut es geht,
von einander fern zu halten oder gut abzuschirmen, wenn dies überhaupt
möglich ist.
In der Versuchsschaltung in Teilbild 3.2 kommt ein Kerko mit 10 pF zum
Einsatz. Beim Versuchsaufbau mit einem
Steckboard
ist darauf zu achten, dass für diesen niederkapazitiven Kerko, nicht
zwei benachbarte Pins verwendet werden, weil die Kapazität zwischen den
Steckkontakten zu gross ist in Relation zu diesen 10 pF. Deshalb
empfiehlt es sich ein Zwischenraum von drei Pins oder mehr einzuhalten.
Teilbild 3.3: Us ist eine Rechteckspannung mit 5 V, wie sie typisch ist
für CMOS- und früher TTL-Schaltungen. Weil man nur die Störspannung an
Ua betrachten will, wird der nichtinvertierende Eingang (Ue) des Opamp
weiterhin mit GND fixiert. Tabelle (Teilbild 3.4) zeigt die
Flankensteilheiten A und B (µs) und die Spitzenspannungen Uap (Vpeak)
abhängig von den Werten R1 und R2.
Analyse: Flanke A ändert sich nur wenig um einen Faktor 2, ob
die Verstärkung 10 oder 100 beträgt und ist auch wenig beeindruckt von R1
und R2. Deutlich grösser unterscheidet sich die Umladezeit von Cx (Kurve
B). Besonders bei der Verstärkung vom 100 (R2 = 100 k-Ohm ; R1 = 1
k-Ohm) ist B mit 15 µs signifikant grösser als die 2.5 oder 2 µs bei
Verstärkung 10. Hier kommt zum Ausdruck, dass der Einschwingvorgang
länger dauert, weil bei der Verstärkung 100 die Grenzfrequenz deutlich
niedriger ist. Deshalb steigt Uap zwischen Zeile 2 und 3 auch nicht
weiter an und sinkt sogar wieder. Man erkennt bereits bei solch
einfachem Experiment, wie verschiedene Parameter Einfluss ausüben, ganz
abgesehen noch vom Aufbau der Versuchsschaltung. Ob 0.3 Vpeak oder 2.5
Vpeak, bei Cx = 1 pF statt 10 pF ist der Störpegel mit 1/10 der Spannung
noch immer recht hoch, wenn der analoge Pegel an Ua im Volt-Bereich
liegt. In diesem Fall liegt R1 nicht auf GND, er dient als Eingang Ue.
Oder es kommt der nichtinvertierende Eingang Ue' zum Einsatz. Digitale
und analoge Signale nahe beieinander erzeugen rasch grosse Probleme.
Genau dies erstaunt, wie gut die Ingenieure es fertig gebracht haben, in
integrierten SC-Tiefpassfiltern den Clockfeedtrough auf einem relativ
niedrigen Wert zu halten bei fortgeschrittenen Produkten und dies auf
kleinster Chipfläche. Mehr zu diesem Thema liest man
hier.
Bild 4 zeigt was man tun kann um Störung durch unvermeidliche lange palallele Leiterbahnen zu reduzieren. Teilbild 4.2 zeigt es mit dem Einfügen einer GND-Leiterbahn. Allerdings ist die Wirkung begrenzt, weil die parasitäre Koppelkapazität, wenn auch reduziert, wirkt zwischen Leiterbahn 1 und 3, verdeutlicht in Teilbild 4.3 unten. Der Cx-Wert reduziert sich um etwa 1/2 bis 1/3. Ich testete dies mit einer Stripboard-Platte.
Bild 5 zeigt was bei Opamp-Verstärkerschaltungen grundsätzlich zu
beachten gilt, um externe Störeinwirkungen so niedrig wie möglich zu
halten. Als Eingang ist hier der invertierende mit Ue gezeichnet. Die
selben Überlegungen gelten aber ebenso bei der nichtinvertierenden
Verstärkung, wenn Ue vor R1 an GND und am nichtinvertierenden Eingang
anstatt GND Ue' liegt. Deshalb Ue' in Klammer.
Teilbild 5.1 zeigt, dass R1 und R2 unnötig weit weg sind vom
invertierenden Eingang. Dies begünstigt die Antennenwirkung der unnötig
langen Leiterbahn. Bestens geeignet zur Aufnahme von Störspannungen
durch eine noch so schwache kapazitive Kopplung mit einer parallelen
Leiterbahn. Es begünstigt aber auch den Empfang von niederfrequent
gepulster Mikrowellenstrahlung, die Folge des Zeitmultiplexverfahren,
wie sie beim Mobilfunk üblich ist. Eine noch so seriöse
Schaltungsdimensionierung (Elektronik und Leiterbahnen) vermag es nicht
zu vermeiden störungsfrei hochsensible intramuskuläre
EMG-Messungen
durchzuführen, wenn nur schon in den Nachbarsräumen aktive Handies
herumliegen oder in relativer Nähe eine Mobilfunk-Sendeanlage existiert.
Man muss die Messungen in einem gut abschirmenden Faradayschen Käfig
durchführen, wenn man sich nicht ärgern will. Meine persönliche
Erfahrung...
Teilbild 5.2 zeigt wie man es richtig macht. R1 und R2 so nah wie
möglich zum invertierenden Eingang, dem hoch empfindlichen virtuellen
GND. Zur Einstellung der Verstärkung kommen oft Potmeter zum Einsatz,
wie z.B. in Teilbild 5.3 im Gegenkopplungspfad zwischen Ua und dem
invertierenden Eingang. Um den Einstellbereich zu begrenzen, schaltet
man oft in Serie zum Potmeter ein Widerstand, hier R2. Richtig macht man
es wie es die Schaltung zeigt. R2 in die Nähe des invertierenden Eingang
und danach das Potmeter P. Speziell dann wenn Potmeter P nicht auf der
Leiterplatte verlötet ist, sondern auf einer Frontplatte. So bleibt der
direkte Anschluss zum invertierenden Eingang kurz. Selbst dann wenn
Potmeter P (auch Trimmpot) auf der Leiterplatte verlötet wird, sollte
man sich an diese Regel halten.
Wichtig ist auch, dass, wie bereits zu Beginn angedeutet, der Widerstand
bzw. die Impedanz der Schaltung so niederohmig wie möglich ist. Im
vorliegenden Beispiel bedeutet dies, dass R1 so niederohmig gewählt
wird, dass an Ue die Quelle nicht zu stark belastet wird.Liegt Ue jedoch
am nichtinvertierenden Eingang und der invertierenden Eingang liegt auf
GND, ist dies unerheblich. Bei R2 (und Potmeter P) darf der Widerstand
nicht so niedrig sein, dass Ua so sehr belastet wird und die Spannung Ua
verzerrt. Es kommt eben darauf an, was man mit der Schaltung bezweckt.
Soll der THD-Wert so niedrig wie möglich sein, darf R2 nicht zu
niederohmig sein. Ganz ohne Kompromisse kann man nur selten Schaltungen
realisieren.
Thomas Schaerer, 02.03.2017